Recruiting-Wissen

Geheime Vorurteile im Vorstellungsgespräch: 6 Gründe, warum Sie sich für die Falschen entscheiden

Yee Wah Tsoi
4 min.

Die meisten Personaler·innen behaupten, Bewerber·innen nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Doch das stimmt schlichtweg nicht. Auch sie lassen sich nach den ersten Eindrücken durch Vorurteile im Vorstellungsgespräch täuschen.

Wir alle müssen täglich hunderte Entscheidungen treffen. Unser Gehirn ist deshalb auf Vereinfachungen angewiesen. Im Laufe unseres Lebens sammeln wir Stereotype, Denkmuster und Schemata, auf die unser Gehirn in bestimmten Situationen zurückgreift – das klassische Schubladendenken.

Vorurteile im Vorstellungsgespräch beeinflussen Ihre Entscheidung mehr als Sie denken
Vorurteile im Vorstellungsgespräch beeinflussen Ihre Entscheidung mehr, als Sie denken

Das Problem daran ist: Wir sind uns dieser Filter, die unsere Umwelt bewerten, gar nicht bewusst. Das führt, gerade im Umgang mit unseren Mitmenschen, zu Fehlurteilen. Und als Personalverantwortliche·r kann Sie das richtig gute Kandidat·innen kosten. Beispiele gefällig?

Vorurteile im Vorstellungsgespräch: Die Macht des ersten Augenblicks

Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance: Tatsächlich haben zahlreiche Studien herausgefunden, dass der erste Augenblick zwischen zwei Menschen so prägend ist, dass wir noch lange an ihm festhalten, auch wenn unser Gegenüber längst gegenteilige Signale sendet.

Für Personaler·innen bedeutet das, dass sie innerhalb von wenigen Sekunden entscheiden, ob sie einem Kandidaten oder einer Kandidatin den Job geben. Im Laufe des Gesprächs sucht ihr Gehirn immer wieder nach Anhaltspunkten, die diesen ersten Eindruck bestätigen. Der Rest wird einfach ausgeblendet.

Das Glück des Ersten und Letzten

Nicht nur der erste Augenblick bleibt uns gut in Erinnerung: Auch an den ersten und letzten Kandidaten bzw. Kandidatin erinnern wir uns ganz besonders. Sandwich-Kandidat·innen gehen hingegen in der Masse einfach unter.

Somit haben Bewerbende rein aufgrund Ihrer Reihung im Bewerbungsgespräch eine bessere bzw. schlechtere Chance, den Job auch schlussendlich zu bekommen. Wirklich objektive Kriterien rücken dabei in den Hintergrund.

Der Halo-Effekt

Oft lassen sich Personaler·innen nicht nur sprichwörtlich blenden. Genau wie das helle Licht des Heiligenscheins ( englisch: Halo) alles andere überstrahlt, wirkt dann eine einzelne Eigenschaft des Gegenübers so dominant, dass sie den Gesamteindruck verfälscht.

Unzählige Studien haben belegt, dass Recruiter·innen unbewusst vom Körpergewicht, der Haarfarbe (denken Sie mal an die Blondinen-Witze) oder dem Tragen einer Brille Rückschlüsse unter anderem auf die Intelligenz und die Führungsqualitäten ableiten.

Der Ähnlichkeitseffekt

Menschen, die uns ähnlich sind, finden wir auf Anhieb sympathischer. Das kann ein gleicher Geburtsort, die gleiche Uni oder das gleiche Hobby sein. Eine·n solche·n Bewerber·in bewertet der Personaler oder die Personalerin sehr wahrscheinlich besser als eine·n andere·n, der bzw. die objektiv die gleiche Qualifikation hat. Auch, weil er bzw. sie glaubt, dass diese·r besser ins Unternehmen passt.

Tatsächlich ist der Cultural Fit natürlich von diversen weiteren Faktoren abhängig. Fest steht zugleich, nicht nur die fachliche Qualifikation, sondern auch der wertekulturelle Fit gewinnt im Recruiting zunehmend an Bedeutung. Sie sollen sich dabei aber nicht von Vorurteilen im Vorstellungsgespräch – wie etwa dem Ähnlichkeitseffekt – täuschen lassen.

Die selbsterfüllende Prophezeiung

Wussten Sie, dass die Macht des Unterbewussten sogar so weit gehen kann, dass der Interviewer oder die Interviewerin den Bewerber oder die Bewerberin zu einem Ergebnis beeinflusst? Hat er bzw. sie beispielsweise beim Lesen des Lebenslaufes oder der Recherche über den Kandidaten oder die Kandidatin im Internet ein bestimmtes Bild gewonnen, wird er bzw. sie in einem Vorstellungsgespräch alles tun, um dieses positive oder negative Urteil zu bestätigen.

Wer einmal erfolgreich war…

…der bleibt es auch. Das jedenfalls ist die Annahme der meisten Personaler·innen. Bewerber·innen, die bereits befördert wurden, trauen sie beispielsweise mehr zu als jungen Berufseinsteigern. Die tatsächliche Qualifikation spielt dabei – auch aufgrund der Vorurteile im Vorstellungsgespräch – keine Rolle.

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Und was kann man dagegen tun? Das eigene Denken reflektieren! Denn Schubladendenken macht es einfach, Entscheidungen zu treffen. Diese sind aber oft bei weitem nicht so gut wie jene, die ganz bewusst getroffen werden. Bewusste Entscheidungen – ohne Vorurteile im Vorstellungsgespräch – sind daher anstrengender als unbewusste – verhindern aber auch Fehlentscheidungen.

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