Bewerbermanagement

CV-frei und 5 Tage Time-to-Hire: Der Bewerbungsprozess der Zukunft?

Michael Rothschädl
9 min.
Wie sieht ein wirklich moderner Bewerbungsprozess aus?

Was tun, wenn das größte Hiring-Ziel der Unternehmensgeschichte ausgeschrieben wird? Und der Blick auf den Arbeitsmarkt zeigt, dass dieses Ziel mit herkömmlichen Prozessen kaum zu schaffen ist? Richtig: Recruiting von Grund auf neu denken. Und einen Bewerbungsprozess etablieren, der für beide Seiten – Recruiter·innen und Bewerbende – maximale Effizienz bietet. „Für uns war vor ziemlich exakt einem Jahr glasklar, dass wir für diesen Hiring-Case unseren Recruiting-Prozess radikal neu denken müssen. Auch, um den Innovationsgedanken nachhaltig bei uns in der Personalbeschaffung zu verankern“, erklären Leonie Welp, Aaron Noack, Johannes Wichmann und Alina Götz von der New Work SE.¹

Das Ziel: Einen New-Hiring-Prozess zu etablieren, der eine Time-to-Hire innerhalb von nur fünf Tagen möglich macht. Und von den Bewerbenden in nur wenigen Klicks abgeschlossen werden kann.

Die Ausgangslage

Die New Work SE stand im ersten Quartal des Vorjahres vor der Herausforderung, dass in den folgenden drei Jahren eine große Anzahl an Menschen mit sehr ähnlichen Profilen für einige Schlüsselpositionen eingestellt werden mussten. Für das Recruiting auf Konzern-Ebene bedeuten High-Volume Cases wie dieser, neben dem täglichen Hiring-Bedarf eine gesonderte Strategie für die Bewältigung dieser Masse an Einstellungen entwickeln zu müssen.

Die Idee

„Wir hatten zwar bereits zuvor eine gute Position am Arbeitsmarkt, geprägt von unserer starken Unternehmenskultur“, erklärt Leonie. „Gleichzeitig bewegen auch wir uns in einem umkämpften Markt und wussten, dass unsere Hiring-Ziele mit herkömmlichen Methoden kaum zu schaffen sein werden.“

Deshalb habe man die Entscheidung getroffen, sich von der Suche konkreter Hard-Skills wie Ausbildung und Berufserfahrung abzuwenden, und stärker in Richtung Faktoren wie Motivation, Lernbereitschaft, Social Skills und den Cultural Fit auszurichten.

„Damit war für uns die Idee eines CV-losen Bewerbungsprozesses geboren“, erinnert sich Leonie. „Durch diese Öffnung auch für Quereinsteiger·innen wurde nicht nur der gesamte Pool an Talenten weitaus größer, wir haben auch ein starkes Signal an den Markt gesandt.“ Aus interner Perspektive hingegen ist der Wegfall des CV-Uploads im Bewerbungsprozess lediglich die Spitze des Eisbergs. „Bei so einem Projekt steckt weit mehr dahinter“, sagt Leonie. In dieselbe Kerbe schlägt auch Aaron: „Von dieser Entscheidung an mussten wir den gesamten Recruiting-Prozess für diese Profile nach demselben Schema ausrichten.“

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Die Umsetzung

Eine Task-Force, bestehend aus Recruiter·innen, dem Employer-Branding-Team und Vertreter·innen aus der rekrutierenden Fachabteilung, wurde formiert. Fixe Tage für Bewerbungsprozesse sind seither in den Kalendern der Mitglieder geblockt. Die Bewertung der Kandidat·innen findet über standardisierte Score-Cards statt, die Gespräche mit halb bis völlig standardisiertem Fragebogen.

“Diese Tätigkeiten fielen bei uns noch lange, bevor wir in die erste Kampagne starten konnten, an”, erklärt Aaron heute. “Insgesamt hatten wir rund sechs Monate Planzeit für das Projekt, um in einem integrativen Prozess einen klaren Rahmen für den Bewerbungsprozess zu definieren, den wir konsequent vom Bewerbungsformular bis zum Kennenlernen des Teams durchziehen“, sagt Aaron. „Nur so wird es uns künftig möglich sein, eine schnellstmögliche Time-to-Hire von zukünftig gerade einmal fünf Tagen zu realisieren.“

Recruiting und Employer Branding im Verbund

Für die Umsetzung einer digitalen Kampagne über Social Media, Suchmaschinenwerbung und nativen Werbeformaten zum CV-freien Bewerbungsprozess wurde in weiterer Folge intensiv mit dem Employer-Branding-Team der New Work SE zusammengearbeitet. „Wir standen in engem Austausch und haben die wechselseitige Expertise genutzt“, erinnert sich Johannes. Beworben wurde der moderne Bewerbungsprozess über Werbeeinschaltungen auf den gängigsten Social-Media-Plattformen. Alina: „Durch das Testen verschiedener Motive und der lückenlosen Erfolgskontrolle konnten wir hier eine äußerst effiziente und nachvollziehbare Kampagne auf die Beine stellen – von der Impression unserer Social-Media-Anzeige bin zur Einstellung.“

Die Reise der Bewerbenden beginnt nach dem Klick auf ein Inserat mit dem Bewerbungsformular. Dieses wurde nicht wie gewöhnlich als Eingabemaske persönlicher Daten und Uploads erstellt, sondern vielmehr als Abfrage weicher Faktoren. „Was motiviert diesen Menschen? Wie wollen sie geführt werden? Wie entlohnt? All das sind Fragen, die hier wichtig sind“, betont Leonie. Umgesetzt wurde das Bewerbungsformular daher mit einem Flow-Tool, wie sie bereits seit geraumer Zeit im Marketing Einsatz finden. „Hier klickt sich ein Talent durch verschiedene Fragestellungen, es gibt nur wenige leere Felder, die zu befüllen sind“, erklärt Leonie.

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Hohe Konvertierungsraten

Dadurch geht die Bearbeitung dieses Formulars deutlich schneller als bei herkömmlichen Bewerbungsprozessen. „Kandidat·innen haben uns bereits rückgemeldet, sich in nur einer Minute beworben zu haben. Im Schnitt dauert die Bearbeitung eine, höchstens aber fünf Minuten”, so Leonie.

Selbstverständlich ist der Prozess dabei für mobile Endgeräte optimiert. Und das lohnt sich: „In unseren Kampagnen konnten wir Abschlussraten des Bewerbungsprozesses von knapp 14 % erzielen“, erklärt Alina. „Das sind weit höhere Konvertierungsraten als wir sie aus anderen Kampagnen kennen.“

Auch im weiteren Bewerbungsprozess steht die Geschwindigkeit im Fokus. Das Ziel ist es, Talenten innerhalb von 24 Stunden eine Rückmeldung auf Ihre Bewerbung zu geben, ein mögliches telefonisches Erstgespräch findet wenig später statt. „Dort klären wir bereits die Rahmenbedingungen, um möglichst schnell ein gemeinsames Interview mit den Kolleg·innen aus den Fachbereichen fixieren zu können“, sagt Aaron.

Das richtige Tool

Abgewickelt wird der gesamte Bewerbungsprozess dabei über den onlyfy one Bewerbungsmanager. Hier haben sämtliche am Hiring-Prozess Beteiligte jederzeit Zugriff auf die Kandidat·innen-Informationen und die gesammelte Kommunikation. Das ermöglicht eine maximal effiziente Zusammenarbeit im Team. „Die Recruiting-Prozesse werden stets von denselben Personen abgewickelt. Die Fachkolleg·innen wurden von uns eigens für ihre Rolle in den Bewerbungsprozessen geschult“, sagt Leonie. „Für uns ist dieses Vorgehen maximal effizient – für Bewerbende wiederum schnell, persönlich und 100 % fair.“

Im onlyfy one Bewerbungsmanager wurde mit sogenannten Tags gearbeitet, wie Aaron erklärt: „So konnten wir sicherstellen, dass immer nur die Personen die Bewerber·innen-Informationen sehen, für die diese auch wirklich relevant sind.“ Sowohl für Recruiting als auch Fachabteilungen ein maximal effizientes Vorgehen.

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Die Outcomes

Den wohl wichtigsten Outcome zeigt der Blick auf die Bewerbenden-Zahlen, denn diese sind signifikant gestiegen. „Wir konnten völlig neue Zielgruppen erschließen und entsprechend mehr Bewerbungen erzielen“, betont Leonie. Natürlich steigt durch diese Offenheit und die geringen Hürden auch die Zahl jener Bewerbungen, die für die konkreten Positionen sofort auszusortieren sind. „Dem muss man sich im Vorhinein bewusst sein. Das ist eine völlig natürliche Begleiterscheinung“, so Leonie.

Zum zweiten überzeugt der neu gedachte Prozess aufseiten der Kandidat·innen: „Wir haben sehr positives Feedback erhalten: Die geringe Time-to-Hire wie auch die Bearbeitungszeit des Bewerbungsformulars kommen in unserer Zielgruppe sehr gut an“, betont Aaron.

Auswirkungen auf die Arbeitgebermarke

Darüber hinaus zeigt der CV-freie Bewerbungsprozess auch Auswirkungen auf die Arbeitgebermarke. „Eine nicht alltägliche Bewerbungsmethode wie diese fällt auf, das steht außer Frage. So haben wir auf der einen Seite potenzielle Bewerbende erreicht. Auf der anderen Seite haben wir uns als Arbeitgeber aber auch positiv in den Köpfen all jener positioniert, für die die konkrete Position gerade nicht interessant war“, betont Leonie. „Das Projekt war zudem auch eine Erfolgsgeschichte, wie eine optimale Zusammenarbeit zwischen Recruiting und Employer Branding aussehen sollte“, erklärt Johannes. „Durch die enge Kollaboration konnten wir unsere wechselseitige Expertise optimal in eine Kampagne gießen. Und den Recruiting-Funnel vom Anfang bis zum Ende vollumfänglich abbilden und messbar machen.“

Die Einschränkungen

„Natürlich eignet sich ein solcher Bewerbungsprozess und eine völlige Abkehr von Ausbildung und Berufserfahrung nicht für sämtliche Positionen“, unterstreicht Leonie. „Außerdem sind diese stark standardisierten Prozesse mit einer hohen Vorbereitungszeit verknüpft. In diesem Detailgrad ist so ein Vorgehen dementsprechend vorrangig für sehr umfangreiche Hiring-Cases wirklich effizient.“

Zudem ergeben sich einige Begleiterscheinungen, auf die man im Recruiting zusätzlich zu reagieren hat. „Absagen zu formulieren, wird durch so einem Bewerbungsprozess schwieriger. Dadurch, dass die Fragen viel persönlicher sind und Wünsche und Vorlieben für die Arbeitsweise abgefragt werden, gibt es keine „Knock-out-Kriterien“ im klassischen Sinne – was das positive Gefühl beim Bewerben verstärkt, die Recruiter·innen jedoch vor eine neue Herausforderung stellt“, sagt Leonie. „Das führte vereinzelt auch zu Unverständnis aufseiten der Bewerbenden, denen wir absagen müssen.“

Bei all diesen Aspekten geht es im Grunde aber nur um eines: eine gute Vorbereitung. „Will man im Recruiting etwas verändern, ist eine fundierte Planung entscheidend. Außerdem sollte man zunächst dort ansetzen, wo es sich auch wirklich lohnt. Bei uns war das eben dieser spezielle Hiring-Case“, erklärt Leonie.

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Moderne Bewerbungsprozesse: Ausblick

Fest steht für die New Work SE, dass das Projekt des ersten CV-freien Bewerbungsprozesses bereits jetzt vielversprechende Ergebnisse liefern konnte. „Das hat uns darin bestätigt, auch in Zukunft konsequent auf modernste Methoden im Recruiting zu setzen. Denn mehr und mehr Talente erwarten sich das von ihren zukünftigen Arbeitgebern.“

Insbesondere für Positionen, in denen die Erfahrung und Ausbildung keinen entscheidenden Faktor darstellt, lohnt es sich daher durchaus, einmal etwas auszuprobieren. „Es ist auch davon auszugehen, dass mehr und mehr Unternehmen in Zukunft nach dieser Logik vorgehen müssen: Nämlich Potenziale und Talente einzustellen und diese dann intern weiter auszubilden“, betont Leonie.

Gleichzeitig ist aber auch klar: Vorgehen wie diese sind kein alleiniges Projekt vom Recruiting, sie erfordern ein Umdenken im gesamten Unternehmen. „Die Position der Hiring-Managers wird eine völlig andere. Deren Verfügbarkeit für Vorstellungsgespräche spielt eine zentrale Rolle, um die Time-to-Hire so gering als möglich zu halten“, betont Leonie. „Zudem benötigt es mehr Vertrauen in den Recruiting-Prozess und Offenheit für neue Einstellungskriterien.”

Ein weiterer relevanter Punkt betrifft die Kanal-Auswahl, um offene Stellen zielgerichtet zu streuen, wie Aaron unterstreicht: „In Zukunft wird es entscheidend, einen intelligenten Mix aus Job-Börsen, Social-Media-Kanälen und Nischen-Plattformen anzustreben. Und dabei geht es nicht immer nur um die klassische Stellenanzeige, sondern zunehmend auch um Werbeanzeigen mit Bildern, Grafiken und Texten, die sonst vorrangig in der Werbung zum Einsatz kommen.“

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