Recruiting-Wissen

Wechselbereitschaft: Eine Chance für Berufstätige und das Recruiting

Yee Wah Tsoi
5 min.

Seit 2012 führen wir gemeinsam mit forsa eine Studie zur Wechselbereitschaft deutscher Arbeitnehmer·innen durch – und waren nach zwei durch die Pandemie geprägten Jahren besonders gespannt auf die Ergebnisse. Viel ist darüber geschrieben worden, wie sehr Corona die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt hat. In den USA schwappt mit der „Great Resignation“ eine riesige Kündigungswelle durchs Land. Ob sie den deutschsprachigen Raum in ähnlicher Form erreichen wird, bleibt abzuwarten.

Aber auch hier ist eine Rekordzahl an Stellen unbesetzt, Tendenz steigend. Und die aktuelle forsa-Studie zeigt: Die Wechselbereitschaft ist gestiegen. So sind etwa in Deutschland fast vier von zehn Befragten offen für einen neuen Job oder haben sogar bereits konkrete Schritte in die Wege geleitet, das sind vier Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Und unter den 30- bis 39-Jährigen ist sogar fast jeder Zweite (48 Prozent) bereit, zu einem neuen Arbeitgeber abzuwandern.


Schlechte Führung als Kündigungsgrund

Tatsächlich gegangen sind seit Beginn der Pandemie rund zehn Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland – in der Schweiz und in Österreich ist es sogar rund jede·r Vierte. Interessanterweise sind die Anlässe für eine hohe Wechselbereitschaft nämlich zum überwiegenden Teil der Wunsch nach mehr Gehalt, nicht identisch mit den Beweggründen für einen tatsächlichen Stellenwechsel. Bei dieser Entscheidung spielen eher unternehmenskulturelle Gründe eine Rolle.

Wir wissen: Menschen bewerben sich bei einem Unternehmen und verlassen es – salopp gesprochen – wegen der Führungskraft. Das bestätigen auch die forsa-Zahlen während der Pandemie. So waren Führung (28 Prozent), Work-Life-Balance (27 Prozent) oder die Tätigkeit (24 Prozent) ausschlaggebende Faktoren für einen Wechsel, finanzielle Motive traten mit 19 Prozent eher in den Hintergrund.

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Bemerkenswert finde ich, dass jede·r vierte Arbeitnehmer·in gekündigt hat, ohne eine neue Stelle zu haben – im eher sicherheitsorientierten deutschsprachigen Raum eine Entwicklung, die auf den ersten Blick erstaunt. Diese insgesamt vergleichsweise hohen Zahlen in Zusammenhang mit Wechselbereitschaft sind auf den ersten Blick ein unkomfortables Szenario für viele Unternehmen, gerade in Branchen mit Fachkräftemangel. Langfristig jedoch offenbaren sich dadurch auch Chancen: nicht nur für Bewerber·innen, sondern auch fürs Recruiting.


HR-Abteilungen tragen entscheidend zum Unternehmenserfolg bei

Angesichts der dramatischen Lage auf dem Arbeitsmarkt müssen Unternehmen sich darüber klar sein, dass sie sich zunehmend um Talente bewerben müssen. Mehr denn je brauchen sie die passenden Mitarbeiter·innen, um ihre Zukunft zu sichern. Der Arbeitsmarkt jedoch wandelt sich vom Angebots- zum Nachfragemarkt, und damit wird Recruiting zunehmend zu einer der tragenden strategischen Säulen des Unternehmenserfolgs.

New Hiring ist damit nicht nur Aufgabe von HR, sondern vom Gesamt-Unternehmen. Die Rahmen-Bedingungen allerdings haben sich pandemiebedingt geändert: New Work ist im Alltag angekommen und vordergründig zur neuen Normalität geworden. Die forsa-Studie bestätigt, dass flexible Arbeitsmodelle und Selbstbestimmung nicht mehr nur auf der Wunschliste von Arbeitnehmer·innen stehen, sondern vorausgesetzt werden.


New Hiring: Umdenken dringend nötig

Und diese neuen Parameter erfordern auch ein Umdenken im Recruiting. Gefragt sind zeitgemäße, intelligente Konzepte, Methoden und Lösungen für die Arbeitswelt von morgen und eine proaktive und zunehmend individualisierte Ansprache. Kurz: New Hiring. Was bedeutet das konkret?

Unternehmen müssen ihre Recruiting-Strategien anpassen: frühzeitig auf Kandidat·innen zugehen und ein Monitoring von Potenzialen durchführen. Dabei können intelligente Daten-Analyse-Tools den entscheidenden Vorteil bieten, zum Beispiel, indem sie automatisch Talent-Pools anlegen, die zeigen, wer das Unternehmen als Wunschunternehmen angegeben hat. Oder man sucht über spezielle Filterfunktionen nach passenden Kandidat·innen, die sich auf eine Stelle nicht beworben haben, aber die richtigen Voraussetzungen dafür mitbringen.

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Sie müssen ausloten, inwiefern Bewerber·innen auch kulturell zum Unternehmen passen. Wie wichtig dieser Cultural Fit ist, zeigt die forsa-Studie: Seit der Pandemie wird die Unternehmenskultur als Kriterium für die Attraktivität eines Unternehmens immer wichtiger. Für 59 Prozent der Befragten ist ein gutes Führungsverhalten bei einem potenziellen Arbeitgeber ausschlaggebend, dicht gefolgt von flexiblen Arbeitszeiten (57 Prozent), einem höheren Gehalt (54 Prozent), persönlicher Sinnerfüllung (52 Prozent) sowie der Möglichkeit, remote zu arbeiten.

Das heißt auch, dass Unternehmen sich bewusst mit ihrer Kultur beschäftigen müssen: Was sind die Aspekte, die das Unternehmen erfolgreich machen und wo gibt es aus Sicht der Mitarbeiter·innen Entwicklungsfelder. Hier helfen Bewertungsplattformen, die die Kultur in den Vordergrund rücken.

Im nächsten Schritt muss die Candidate Journey konsequent an den Zielgruppen und deren Bedürfnissen ausgerichtet sein – und vor allem reibungsloser werden. Denn oft dauern Bewerbungsprozesse heute noch viel zu lang. Im Schnitt dauerte es im vergangenen Jahr 124 Tage, eine offene Stelle mit einer entsprechend qualifizierten Person zu besetzen. Das sind 38 Tage mehr als 2015 und 67 Tage mehr als noch im Jahr 2010 – und in dieser Zeit springen qualifizierte Kandidat·innen oftmals ab.

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Deshalb sind bei der Umsetzung von New-Hiring-Konzepten digitale Tools unverzichtbar, um die gesamte Time-to-hire effizient zu reduzieren: Talent Acquisition Platformen ebenso wie smarte Lösungen für Bewerbermanagement, Networking und Kommunikation. Sie helfen nicht nur, die Reaktionszeit zu verkürzen, sondern auch Kommunikationsinhalte möglichst optimal auf die Bewerber·innen und eine positive Candidate Experience abzustimmen.

Wechselbereitschaft: Fazit

Diese Maßnahmen sind wichtige Schritte auf dem Weg von Unternehmen und HR-Abteilungen zur Optimierung ihrer Recruiting-Prozesse – jetzt geht es darum, sie zu gehen. Denn wenn man für die Zukunft gut aufgestellt ist, kann aus der Wechselbereitschaft der deutschen Arbeitnehmer·innen tatsächlich eine Chance fürs eigene Unternehmen werden.

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