Recruiting-Wissen

Social Media in der Personalgewinnung richtig nutzen: Felix Beilharz im Interview

Michael Rothschädl
9 min.

Mitgliedszahlen im Milliardenbereich, Nutzungsdauern von mehreren Stunden pro Tag & Co: Social Media ist auch aus der Personalgewinnung heute nicht mehr wegzudenken. Aber was müssen Unternehmen hierbei beachten? Wir haben bei Online-Marketing- und Social-Media-Koryphäe Felix Beilharz nachgefragt. Im Interview spricht der Experte über einfach umsetzbare Maßnahmen, etablierte Strategien und seine Idealvorstellung eines digitalen Recruitings.

Social-Media-Experte Felix Beilharz

Felix Beilharz

Berater, Speaker, Dozent, Digital Marketing Influencer, XING Insider

Felix Beilharz ist führender Experte für Social Media, Online-Marketing und die Generation Z.

Inhalt

Chancen & Risiken von Social Media in der Personalgewinnung

onlyfy: Felix, um deinen Wirkungsbereich zu beschreiben, sagst du: „Die digitale Welt ist Teil der realen Welt.“ Ein Satz, der im Online-Marketing definitiv angekommen ist. Aber ist dieses Verständnis von digitalen & sozialen Medien auch in der Personalgewinnung flächendeckend verbreitet? Und welche Gefahr ortest du, wenn man als Unternehmen hier den Anschluss verliert?

Felix Beilharz: Da gibt es solche und solche – manche Unternehmen sind schon durchgehend digital aufgestellt, andere tun sich immer noch schwer. Die meisten befinden sich irgendwo im Mittelfeld. Dabei geht es ja nicht nur darum, Stellenanzeigen online zu schalten. Das tun die meisten. Aber wenn es um Feinheiten geht, zum Beispiel die eigenen Job-Ausschreiben für Google Jobs zu optimieren, den Bewerbungsfunnel auch komplett mobil abzubilden oder entsprechende Employer-Branding-Profile in den sozialen Medien zu pflegen, wird es schnell dünn.

onlyfy: Employer Branding, Performance Recruiting und, und, und: Mittlerweile gibt es ja auch zahlreiche Disziplinen in der Welt des Recruitings, die sich verstärkt an Marketing-Techniken orientieren. Wieso stellen diese Methoden aus dem Marketing eigentlich für HR-Teams einen so spannenden Anwendungsfall dar?

Felix Beilharz: Das ist einfach aus der Notwendigkeit des Arbeitsmarktes heraus geboren. Nie war die Anforderung, sich auch als Arbeitgeber zu vermarkten, größer als heute. Und was liegt da näher, als auf Techniken zurückzugreifen, die bereits seit Jahren erfolgreich angewendet werden.

Ich habe schon vor 12 Jahren Seminare z.B. im Bankenumfeld gemacht, in denen es auch um Arbeitgebermarketing geht. Damals hat fast niemand seine Recruiting-Seite (wenn es denn eine gab) oder die Stellenangebote (wenn sie denn online waren) aktiv für Suchmaschinen optimiert. Heute kommt man da nicht mehr drum herum.

Über Recruiting in sozialen Medien wurde damals noch überhaupt nicht gesprochen. Heute ist Social Recruiting eines der wirkungsvollsten Mittel, um vor allem jüngere Menschen zu erreichen. Aber auch erfahrene Executives lassen sich über Plattformen wie XING deutlich effektiver ansprechen als über traditionelle Maßnahmen.

Was man nie vergessen darf: Nur ein kleiner Teil der Beschäftigten sucht gerade aktiv nach einem Job – 40% sind aber prinzipiell wechselwillig. Und die erreicht man eben nicht über eine Stellenanzeige, sondern über Arbeitgebermarketing.

Als Marketing-Experte weiß Felix Beilharz auch über den Stellenwert von Social Media in der Personalgewinnung Bescheid
Als Marketing-Experte weiß Felix Beilharz auch über den Stellenwert von Social Media in der Personalgewinnung Bescheid

Was Recruiting von Marketing lernen kann

onlyfy: Deine persönliche Kern-Expertise liegt eben genau in den Feldern Social-Media- und Online-Marketing. Was können Recruiting-Teams von diesen Disziplinen lernen, um nachhaltig ausreichend Mitarbeitende zu finden?

Felix Beilharz: Ein paar Dinge habe ich schon angesprochen: Die Auffindbarkeit im Netz zu steigern ist zum Beispiel eine Kernkompetenz im Online-Marketing, die auch im Recruiting unverzichtbar ist. Und auch der professionelle Einsatz von sozialen Medien greift auf die gleichen Prinzipien und Methoden zurück – da ist es gar nicht so entscheidend, ob ich ein Produkt vermarkte oder einen Arbeitgeber.

Ich muss dafür sorgen, überzeugende Inhalte zu erstellen, die perfekt auf die Zielgruppe und den jeweiligen Kanal zugeschnitten sind, überhaupt die richtigen Kanäle auswählen und alle Möglichkeiten wie organische Reichweite, Ads oder Kooperationen ausschöpfen. Wie das genau geht, darüber sprechen wir natürlich bei unserer Lunch Session.

Lunch Session

Felix zu Gast in unserer Lunch Session

In dieser Lunch Session erzählt Felix Beilharz, wie Sie soziale Medien erfolgreich für Ihr Recruiting nutzen können.

Felix Beilharz und Adrian Krastev in dieser Lunch Session

onlyfy: Spannend ist der Einsatz von Social Media in der Personalgewinnung ja allemal, aber oftmals auch ganz schön aufwändig. Zumal in vielen Recruiting-Teams keine dedizierten Marketing-Spezialist·innen zu finden sind. Gibt es aus deiner Sicht auch „low-hanging fruits“, die ohne umfassendes Fach-Know-how und große Budget-Töpfe umzusetzen sind?

Felix Beilharz: Absolut. Der erste Schritt ist, erst einmal dafür zu sorgen, dass online etwas „da“ ist, wenn jemand gezielt nach mir sucht. Also wenn ein·e Interessent·in irgendwo eine Job-Anzeige gesehen hat und jetzt bei LinkedIn nach dem Unternehmen sucht, sollte eben auch eine ansprechende Seite mit allen Informationen und einigen Einblicken auffindbar sein. Wer in den sozialen Medien nicht stattfindet, existiert einfach nicht.

Und gerade bei LinkedIn gehört die Bühne nicht den Unternehmen selbst, sondern den Mitarbeitenden. Unternehmen können also fördern, dass ihre Mitarbeitenden als „Corporate Influencer“ selbst sichtbar werden. Die Bandbreite ist dabei natürlich riesig. Man kann das als richtig großes Projekt über Jahre aufziehen, aber auch klein anfangen, indem man gezielt ein paar Mitarbeitende, die ohnehin schon aktiv sind, einbezieht und fördert. Das kostet nicht viel, kann aber schon einen deutlichen Sichtbarkeitsgewinn für den Arbeitgeber bringen.

onlyfy: Blicken wir auf die andere Seite des Spektrums: Wie würde aus deiner Sicht ein Recruiting aussehen, das ganzheitlich und optimal auf Soziale Medien setzt? Nenne uns doch einige Schlagwörter zu deiner Idealvorstellung, wenn es so etwas überhaupt gibt.

Felix Beilharz: Ich würde da zwei Dimensionen parallel aufziehen: Employer-Branding-Maßnahmen, so dass Interessent·innen sich ein Bild über den Arbeitgeber machen können und auch wirklich motiviert werden, sich zu bewerben, und aktives Recruiting, zum Beispiel durch Active Sourcing auf Job-Plattformen oder gezielte Social-Recruiting-Kampagnen bei Instagram, Facebook und Co.

Warum Social Media in der Personalgewinnung alternativlos ist 

onlyfy: Nun erfreuen sich derzeit, insbesondere in jüngeren Zielgruppen, stark unterhaltungsfokussierte Kanäle wie TikTok großer Beliebtheit. Unternehmen exponieren sich hier gewissermaßen, wollen sie die Spielregeln dieser Plattform befolgen. Wie beurteilst du diesen Spagat und wie würdest du den Betrieben allfällige Bedenken nehmen?

Felix Beilharz: Ja, TikTok ist für viele eine Herausforderung, auch weil viele Regeln von z.B. Facebook hier einfach nicht gelten. Auf Instagram zeigt man sich gern mit tollen Fotos und beeindruckenden professionellen Clips – bei TikTok sehen die erfolgreichen Videos völlig anders aus. Das fällt vielen Unternehmen schwer.

Ein guter Rat ist dabei: Hört auf die Jungen. Lasst euch von jungen Mitarbeitenden beraten, was den Content angeht. Denn die wissen am besten, wie der Kanal funktioniert, welche Gepflogenheiten dort herrschen und was bei anderen jungen Nutzer·innen ankommt.

Und letztlich hilft es ja nichts: wenn ich junge Zielgruppen erreichen will, ist TikTok einfach ein hervorragender Weg. Und wenn ich TikTok nutzen will, muss ich mich auf die Plattform einlassen. Also: etwas Mut und der Wille, Neues auszuprobieren, dann klappt‘s auch mit TikTok.

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Social Media im Recruiting

onlyfy: Ist es im Social-Media-Recruiting vielfach auch einfach alternativlos, auf genau diese Kanäle zu setzen, um allen voran natürlich die Generation Z zu erreichen?

Felix Beilharz: Zumindest ist es ohne sehr schwierig. Gerade die Gen Z liest kaum Zeitung oder Zeitschriften, Radio und Fernsehen werden zwar noch genutzt, aber deutlich weniger als noch vor ein paar Jahren (und sind teuer). Social Media dagegen werden intensiv genutzt, mit einer enormen Verweildauer pro Tag. Wenn ich also da stattfinden will, wo die Jungen einen großen Teil ihrer täglichen Zeit verbringen, komme ich um Social Media nicht drum herum. Um mal beim Beispiel TikTok zu bleiben: Jede·r Nutzer·in (also alle Alterklassen, bei den Jungen wird es noch deutlich mehr sein) verbringt ca. 24 Stunden im Monat auf TikTok – also einen kompletten Tag.

Aber die gute Nachricht: auch klassischere Wege wie Job-Börsen, Schulveranstaltungen und Online-Jobportale funktionieren bei der Gen Z. Sie sind aber teilweise eben deutlich aufwändiger und teurer. Letztlich macht es die Kombination aus verschiedenen Maßnahmen.

Da unterscheidet sich Employer Branding wieder nicht von „normalem“ Branding. Eine Marke zeichnet sich dadurch aus, dass sie mir immer wieder begegnet. Auf einer Plakatwand, im TV, im Supermarktregal und auf Fußball-Trikots. Beim Employer Branding ist das genauso: wenn ich den Arbeitgeber in der Stellenbörse, auf der Job-Messe und bei TikTok sehe, baut sich eine Markenwahrnehmung auf. Beispiele dazu zeige ich in der Lunch Session zu Arbeit der Zukunft und Social Media.

Ein neues Mindset für Social Media

onlyfy: Wir haben bislang sehr stark über soziale Medien und deren Spielregeln im Speziellen gesprochen. Vielfach bedeutet ein Recruiting, das konsequent auf moderne Zugänge wie den Einsatz von Social Media setzt, aber auch ein Umdenken im gesamten Unternehmen. Welches Mindset, wenn man so will, benötigt es für eine erfolgreiche Nutzung?

Felix Beilharz: Vor allem ist Mut und der Wille, neue Wege zu beschreiten, wichtig. „Früher hat das aber anders funktioniert“ ist kein gutes Mindset. Das fängt schon bei ganz grundlegenden Fragen an: Kann ich mich mit wenigen Klicks am Smartphone bewerben? Oder werde ich durch umfangreiche Formulare gequält und muss Dokumente hochladen, die ich am Handy einfach gerade gar nicht greifbar habe.

Und es geht letztlich immer in die Frage über, wie ernst ich das Ganze nehme. Einen Employer-Branding-Kanal dauerhaft zu bespielen, kostet Ausdauer, vor allem wenn nicht direkt die ersten Bewerbungen eingehen. Da muss man sich klarmachen: Der Weg ist alternativlos, es gibt kein Zurück in vor-digitale Zeiten mehr. Also dranbleiben, ausprobieren, lernen und wachsen.

onlyfy: Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Du hast in deinem Team eine offene Stelle zu besetzen, was wären jetzt deine ersten Schritte?

Felix Beilharz: Als erstes erstelle ich eine Stellenausschreibung auf meiner Website als zentrale Anlaufstelle. Und dann aktiviere ich meine Community. Ich poste dazu auf LinkedIn, auf Instagram, Facebook, XING und TikTok. Da erreiche ich schonmal über 100.000 Menschen und es entstehen Netzwerkeffekte – jemand kennt sicher jemanden der jemanden kennt. Eine Kollegin hat neulich erst genau mit diesem Weg eine COO-Stelle ausgeschrieben, ausschließlich mit 4 LinkedIn-Posts auf ihrem Profil. Da sie bereits Reichweite hatte, brachten ihr diese (sehr kreativ geschriebenen) Posts eine Reichweite von über einer Million und 15 qualifizierte Bewerbungen ein – ohne einen einzigen Euro dafür auszugeben. Das ist der Weg!

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